Was für Liverpool die Penny Lane, für London die Abbey Road und für New York die Fifth Avenue, ist für Liestal die Rathausstrasse. Oho, werden Sie denken, da übertreibt ein Stadtrat wieder ganz gewaltig und greift unangemessen tief in die rhetorische Trickkiste. Ganz sicher nicht übertrieben ist jedoch, dass die «mittlere Gasse» für viele Liestalerinnen und Liestaler eine Herzensangelegenheit ist.
Zwar wird sie nicht besungen wie ihre grossen und berühmten Geschwister aus aller Welt, sie ist aber Schauplatz für viele unserer ureigenen Veranstaltungen: den Chienbäseumzug, den Banntag, das Maisingen, den Vorbeimarsch der Truppen, den Weihnachtsmarkt und den aufblühenden Frischmarkt. Vor allem aber sind die einzigartigen Strassenzüge Standort für zahlreiche Gewerbebetriebe, Dienstleister, Detaillisten und Restaurants. Dass die aktuelle Anmutungsqualität eher eine Zumutung ist und weder der gefühlten noch der tatsächlichen Bedeutung der Strasse gerecht wird, hat man schon vor dreissig Jahren bemerkt. Bereits Mitte der Achtzigerjahre wurde ein Wettbewerb für deren Neugestaltung durchgeführt. Der für die Ausführung notwendige Kredit wurde aber an einer Volksabstimmung abgelehnt. 1996 genehmigte der Einwohnerrat erneut einen Planungskredit für die Frei- und Strassenraumgestaltung in der Altstadt. Auch die se Bemühung, die Rathausstrasse als Visitenkarte Liestals aufzuwerten, wurde am 29. November 1998 an der Urne zunichte gemacht. Am 27. August 2014 hat der Einwohnerrat ein Postulat von Daniel Spinnler und Diego Stoll an den Stadtrat überwiesen und diesem damit den Auftrag erteilt, diese Uralt-Pendenz in Angriff zu nehmen und einer Lösung zuzuführen. Das oberflächliche und augenfällige Flickwerk soll beseitigt und die maroden Leitungen im Untergrund müssen saniert werden. Punkto Gestaltung haben wir zunächst versucht die alte Projektidee von 1998 wieder aufzunehmen, mussten aber feststellen, dass das Projekt von damals den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt. Das vorliegende Projekt des Büros Stauffenegger und Stutz ist so einfach wie bestechend. Von beiden Strassenseiten her werden die Parzellengrenzen mit einem Natursteinband auf dem Boden nachgezeichnet und bis in die Strassenmitte verlängert. Die einzelnen Häuser erhalten damit Vorzonen, in denen öffentliche und private Nutzung zusammenschmelzen zu einem einzigen, grossen Platz.
In Anlehnung an ein altes Sprichwort * könnte man sagen: «Der beste Zeitpunkt, die Rathausstrasse zu sanieren, war vor dreissig Jahren, der zweitbeste Zeitpunkt ist nächstes Jahr». Spätestens ab 2019 wird nämlich die Bautätigkeit am Bahnhof mit dem Vierspurausbau beginnen. Und dann soll die Rathaustrasse ihren Charme voll entfalten können – als Markt- und Begegnungsort. Die Bauzeit wird, das ist uns allen bewusst, für die Anwohnerinnen und Anwohner, für die Detaillisten und Wirte eine mühsame Zeit: Baulärm, Staub und Verkehrsbehinderungen werden das tägliche Leben und den Geschäftsgang beeinträchtigen. Mit flankierenden Massnahmen im Projekt und einer möglichst kurzen Bauzeit werden diese Belastungen so gering wie möglich gehalten. Wir sind überzeugt, dass wir die grosse Investition jetzt tätigen müssen und dass diese sich langfristig auszahlen wird.
* « Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Die nächstbeste Zeit ist jetzt.» (aus Uganda)
Franz Kaufmann, Stadtrat Departementsvorsteher Stadtbauamt
Editorial im Liestal Aktuell, 14.04.2016